"Wir allein entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen, die uns gegeben ist." - Elbenbrosche in Edoras, eigenes Foto, 2005

Donnerstag, 24. September 2009, 00:54

Identität in der elektronischen Welt

Als ich am Dienstagmorgen mein Blog aufrief, erlebte ich (wie offensichtlich auch viele andere Blogger) eine böse Überraschung: Statt meiner eigenen Tweets von Twitter wurden die Tweets einer mir völlig unbekannten Person in mein Blog eingebunden. Dabei handelte es sich um einen gewissen Adam Croot aus Essex, der bei Twitter Inhaber des Benutzernamens "undefined" ist. Offenbar hatte das Twitter-Gadged von Blogger eine Fehlfunktion in einem Javascript, das anstelle des korrekten Twitter-Namens des jeweiligen Benutzers den Wert "undefined" zurücklieferte und damit dafür sorgte, daß die Tweets ebendieses Users in tausenden von Blogs angezeigt wurden.

Armer Adam Croot! In den letzten zwei Tagen mußte er eine Flut von Beschwerden über sich ergehen lassen. Anfangs hat er noch versucht, die Sache mit Humor zu nehmen, aber da einige Benutzer seine sarkastischen Kommentare ("It's because I hacked the world!") nicht verstanden haben, dürfte die Sache für ihn mit der Zeit extrem lästig geworden sein. Er konnte ja überhaupt nichts dafür, bekam jedoch zu seinem großen Leidwesen die geballte Frustration der Blogger ab. Vielleicht hätte er allerdings noch etwas mehr Verständnis geerntet, wenn er sich während dieses Zeitraumes in seinen Tweets der Verwendung von Ausdrücken der Fäkalsprache enthalten hätte...

Mittlerweile ist der Schaden offenbar behoben, und die Wogen haben sich einigermaßen gelegt. Allerdings zeigt dieser nervige Vorfall eines ganz deutlich: In der heutigen Online-Welt ist es zunehmend schwierig, seine eigene Identität zu bewahren und sich von anderen abzugrenzen. Tools wie das Twitter-Gadget in Blogger ermöglichen es zwar im Regelfall, seine verschiedenen eigenen Auftritte zu verknüpfen und beisammen zu halten, aber wehe, dabei geht einmal irgendetwas schief! Allzu schnell leidet man dann unter elektronischem Identitätsverlust, und schwupp-die-wupp sieht es für fremde Menschen so aus, als ob man ein ganz Anderer wäre.

Gerade im Zusammenhang mit Online-Durchsuchungen (Schäubles Stasi 2.0), rechtlich völlig unkontrollierten Internet-Sperren (Zensursula), fadenscheinigen Gerichtsurteilen ahnungsloser Juristen über Verantwortlichkeiten für Inhalte im Internet (das berüchtigte "Link-Urteil") sowie dummen, völlig technikfeindlichen Politikern ("Internet-Ausdrucker") könnten die Konsequenzen derartiger Zwischenfälle für eigentlich unbescholtene Bürger fatal sein. Durch technische Probleme fehlerhaft eingebundener Content könnte zur Sperrung von Seiten, zu Strafverfolgungen oder zu einer öffentlichen Ächtung führen, deren Auswirkungen selbst bei erwiesener Unschuld nur schwer wieder rückgängig zu machen sein dürften.

Eine schöne neue Welt ist das, in der sich die elektronische Identität von Menschen teilweise durch eine zufällige, durch anfällige Technik bestimmte Zusammenwürfelung zusammenhangloser, fremder Inhalte zu bestimmen droht! Auf diese Weise droht trotz aller Personalisierung des Netzes, trotz aller (noch!) bestehenden Möglichkeiten zur freien Meinungäußerung ein schleichender Verlust der Identität des Individuums in der elektronischen Welt, den der einzelne Mensch mangels eigener (technischer wie organisatorischer) Eingriffsmöglichkeiten nicht mehr aufzuhalten vermag. Ich finde diese Vorstellung ehrlich gesagt ziemlich erschreckend...

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