"Wir allein entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen, die uns gegeben ist." - Elbenbrosche in Edoras, eigenes Foto, 2005

Montag, 28. September 2009, 19:38

Deutschland hat gewählt - und nun?

Nun ist sie also vorbei, die mit großer Spannung erwartete Bundestagswahl 2009. Und nachdem sich der Rauch verzogen hat, ist letzten Endes doch irgendwie alles wieder einmal beim Alten geblieben. Die selbsternannten "großen Volksparteien", die schon längst nicht mehr so groß sind, wie sie es selbst noch gerne glauben möchten, setzen ihre langjährige Talfahrt unbeirrt fort. Die bereits etablierten unter den sogenannten "kleineren" Parteien haben dafür allesamt etwas zugelegt. Aber frischer Wind durch neue politische Kräfte ist immer noch nicht ins Parlament eingezogen.

Die mit Abstand stärkste Wählergruppe sind auch dieses Mal wieder die Nichtwähler, deren Anzahl mittlerweile die 18-Millionen-Marke deutlich überschritten hat und damit fast doppelt so hoch ist wie die der SPD-Wähler und vor allem größer als die summierte Anzahl der Wähler der beiden Parteien CDU und FDP zusammen, die trotzdem oder vielmehr gerade deswegen jetzt die Regierung stellen. Wohl nie zuvor hat sich ein(e) Kanzlerkandidat(in) als Wahlsieger(in) fühlen dürfen, deren Partei tatsächlich nur von 19 Prozent aller wahlberechtigten Deutschen gewählt wurde!

Dabei standen die Vorzeichen für echte politische Umwälzungen so gut wie schon seit langem nicht mehr. Die Große Koalition hatte sich vier Jahre lang abwechselnd durch Nichtstun oder durch bürgerfeindliche Entscheidungen hervorgetan. So ziemlich jeder im Lande dürfte sich eine völlig andere Politik gewünscht haben. Leider ist es aber nicht gelungen, den Menschen im Lande klarzumachen, daß sie diesmal mit ihrer Stimme eine realistische Chance gehabt hätten, tatsächlich etwas daran zu ändern. Und so sind die Politikverdrossenen leider wieder einmal zu Hause geblieben, anstatt die existierenden Alternativen zu wählen, und haben damit dafür gesorgt, daß alles beim Alten bleibt.

Bei der einen oder anderen kleineren Partei ist es sicherlich eher von Vorteil, daß sie aus der Schwäche der großen Parteien keine Gewinne herauszuschlagen vermochte. So sind erfreulicherweise die rechten Parteien nicht stärker geworden, auch die christlichen Fundamentalisten sind zum Glück für unser Land nicht nennenswert erstarkt, und für spiritualistische Spinner, die alle Probleme der Welt durch kollektive Meditation oder durch yogische Flieger lösen möchten, ist in diesem Lande offenbar auch kein Platz. Dies zeigt, daß die Deutschen zumindest in der Lage sind, zu erkennen, daß es nichts bringt, bestehenden politischen Schwachsinn durch noch größeren Schwachsinn zu ersetzen.

Schade hingegen ist es um das enttäuschende Ergebnis der Piratenpartei. 845.904 oder 2,0 Prozent der abgegebenen Stimmen sind zwar ein netter Achtungserfolg, der die Partei aus dem Stand auf den sechsten Platz in der Wählergunst befördert (wenn man die CDU/CSU einmal als eine Partei rechnet). Das ist mehr, als die Grünen bei ihrer ersten Bundestagswahl im Jahre 1980 erreicht haben. Aber damit ist natürlich noch nichts gewonnen! Zwar deutet sich an, daß zumindest ein nennenswerter Teil der Bevölkerung es sich nicht mehr länger bieten lassen möchte, wenn auch weiterhin persönliche Freiheitsrechte beschnitten und totalitäre staatliche Instrumente wie Zensur und flächendeckende Video-Überwachung geschaffen werden.

Doch die Massen kann man damit offenbar immer noch nicht mobilisieren. Der einzige kompromißlose Verteidiger der Bürgerrechte zu sein reicht im heutigen Deutschland offenbar nicht einmal für die 5-Prozent-Hürde. Unser Land gibt in dieser Hinsicht leider ein trauriges Bild ab. Und ausgerechnet darauf zu vertrauen, daß die nicht gerade für die Durchsetzung von unumstößlichen Idealen bekannte FDP zum Beispiel in Hinblick auf die geplante Internet-Zensur zu ihren Wahlversprechen steht, kann ja wohl auch nicht der Weisheit letzter Schluß sein, nachdem die selbe Partei gerade erst in Sachsen zwecks Regierungsbeteiligung alle freiheitlichen Bedenken gegen stärkere staatliche Überwachungsmaßnahmen über Bord geworfen hat.

Wohin also steuert Deutschland nach der Wahl? Änderungen in der Wirtschaftspolitik werden wohl unausweichlich sein, und bei aller Liebe zum Sozialstaat erscheint mir die Kompetenz auf diesem Bereich in der neuen Regierung stärker vertreten zu sein - vorbehaltlich der noch zu treffenden Personalentscheidungen. Außenpolitisch dürfte sich eher wenig ändern, außer daß (wie irgendein Scherzbold letztens sagte) ein möglicher Außenminister Guido Westerwelle sogar Liechtenstein dazu ermutigen könnte, bei uns einzufallen. Für internationale Durchsetzungsfähigkeit dürfte er jedenfalls ebenso wenig stehen wie ein Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg. Dieser Part dürfte also auch weiterhin Chefsache bleiben.

Aber wenn die Chefin anderweitig beschäftigt ist, dürften in der Innenpolitik leider keine gravierenden Änderungen zu erwarten sein. Wie heißt das Sprichwort doch noch gleich so schön? "Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch." Wenn Frau Bundeskanzlerin Merkel sich auch weiterhin auf die sogenannte Fachkompetenz ihres Kabinetts verläßt, werden unserem Land weitere peinliche und demokratiefeindliche Alleingänge aus dem Hause Schäuble und vor allem aus dem Hause von der Leyen wohl nicht erspart bleiben. Ich fürchte sehr, daß sich gerade in diesen Punkten durch die künftige Regierungsbeteiligung der FDP nichts ändern wird.

Aus dem Innenministerium, das ja wohl kaum umbesetzt werden dürfte, ist ja kürzlich bereits eine Wunschliste für die Zeit nach der Wahl durchgesickert, die zahlreiche weitere, flächendeckende Überwachungsmaßnahmen beinhaltet. In dieser Hinsicht hätte wohl nur ein durchschlagender Wahlerfolg der Piratenpartei etwas ändern können. Und zwar mit mindestens 5 Prozent, so daß letztlich niemand mehr an ihrem Hauptanliegen vorbeigekommen wäre. In diesem Fall hätte es nämlich nach der Wahl nicht nur nicht mehr für schwarz-gelb, sondern nicht einmal mehr für eine Große Koalition gereicht.

Nun ja, vielleicht beim nächsten Mal - sofern beim nächsten Mal überhaupt noch genug Freiheit übrig ist, um deren Erhalt es sich zu kämpfen lohnt. Und genug Freiheit, um diesen Kampf überhaupt noch kämpfen zu können, ohne dafür gleich von staatlichen Stellen wegen eines angeblichen Terrorismusverdachtes oder sonstiger potentieller Greueltaten einkassiert zu werden. In Hinblick auf den Erhalt von Bürgerrechten wie das Recht auf Meinungsfreiheit und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit geht unser Land jedenfalls schweren Zeiten entgegen. Aber wir Deutschen tragen daran selbst die Schuld. Denn wir hatten ja die Wahl - aber wir haben sie nicht genutzt!

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