"Wir allein entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen, die uns gegeben ist." - Elbenbrosche in Edoras, eigenes Foto, 2005

Mittwoch, 30. September 2009, 16:25

Mit Freiberuflern kann man's ja machen...

In letzter Zeit stelle ich zu meinem Verdruß wieder einmal fest, daß Projektgeber und Projektvermittlungen offenbar der Meinung sind, daß man mit Freiberuflern umspringen kann, wie man gerade lustig ist. Um kurz das Themenfeld zu umreißen: Ich bin seit Anfang 2005 als freiberuflicher Berater im IT-Bereich tätig. Projekte bei größeren Firmen werden normalerweise nur über Projektvermittlungen in Auftrag gegeben, welche bei derartigen Ausschreibungen oft gegeneinander konkurrieren. Für ihre Vermittlertätigkeit kassieren diese Firmen ganz ordentliche Prozentsätze von den Stundensätzen, die die Endkunden an die auf diese Weise vermittelten Berater bezahlen.

Das übliche Vorgehen dieser Agenturen besteht darin, Anfragen für Ausschreibungen, die bei ihnen eintrudeln, auf ihre eigenen Webseiten und/oder bei darauf spezialisierten Online-Anbietern wie GULP.de einzustellen. Da sich kaum ein Vermittler jemals die Mühe macht, derartige Unternehmens-Ausschreibungen mit eigenen Worten umzuformulieren, findet man auf diese Weise oftmals bei mehreren Anbietern ein und den selben Text. Als interessierter Freiberufler schreibt man diese Firmen dann an, erklärt mit vielen Worten, warum man der perfekte Kandidat für dieses und genau dieses Projekt ist, und schickt der jeweiligen Projektvermittlung sein Beraterprofil zu.

Meistens wird daraufhin von einem verlangt, die darin enthaltenen Daten noch einmal in eines oder teilweise auch mehrere, natürlich für jede einzelne Vermittlerfirma spezifische Formulare einzutragen (als wenn man nichts Besseres zu tun hätte - wofür bekommen diese Firmen eigentlich ihre Prozente?). Anschließend landet man mit seinen Daten beim jeweiligen Vermittler in einer großen Datenbank, hört in den allermeisten Fällen von dem ursprünglich angefragten Projekt nie wieder etwas, wird aber eventuell später wieder für weitere Projekte kontaktiert. Bei manchen Anbietern soll man die selben Formulare allerdings immer und immer wieder ausfüllen. Manchmal sogar noch per Fax!

Über diesen ganz alltäglichen Wahnsinn hinaus leisten sich einige Vermittlerfirmen oder die von ihnen vertretenen Kunden allerdings immer mal wieder ein Verhalten, welches einen nur noch mit dem Kopf schütteln und an seinem gesunden Menschenverstand zweifeln läßt. Anfang 2006 hatte mich beispielsweise ein Vermittler für ein Projekt bei einer der weltweit führenden Airlines vorgestellt. Monatelang war angeblich alles klar, der Kunde wollte mich angeblich unbedingt anheuern und es waren angeblich nur noch Details zu klären, so daß es angeblich jeden Tag mit dem Projekt hätte losgehen können. Nach über drei Monaten wurde dann plötzlich von einem Tag auf den anderen das gesamte Projekt ohne jede Begründung gestrichen.

Etwas ganz Ähnliches erlebe ich derzeit mit einem Projektvermittler, der einen ziemlich großen Kunden aus dem Bereich der - sagen wir mal - Nahversorger betreut. Seit etwa einem Monat heißt es von Seiten der Projektvermittlung immer wieder, daß der Kunde akuten Bedarf nach sofortiger Unterstützung für ein äußerst dringendes Projekt hat. Angeblich soll mich der dafür zuständige Projektleiter des Kunden bei allernächster Gelegenheit anrufen - heißt es jetzt mittlerweile schon seit mehr als vier Wochen. Angeblich kommt er immer nicht dazu, weil sein Projekt so dringend und so unterbesetzt ist, daß er nicht einmal die Zeit dazu findet, sich um die benötigte externe Unterstützung zu kümmern. Also, ich würde dem Mann ja gerne helfen...

Erst heute Morgen hat mich die Sekretärin der betreffenden Projektvermittlung wieder einmal angerufen. Ihr Chef habe ihr gesagt, sie solle mich bitte noch einmal anrufen und mich davon in Kenntnis setzen, daß ihr Kunde mich jetzt aber auch wirklich mit Sicherheit ganz unbedingt heute im Laufe des Tages vielleicht anrufen wolle, wenn er es nicht wieder vergessen sollte... Überflüssig zu sagen, daß dieser vollmundig angekündigte Anruf auch heute wieder einmal ausgeblieben ist. Ich möchte echt einmal wissen, ob diese Leute allen Ernstes glauben, daß man als Freiberufler nichts Besseres zu tun hat, als monatelang nur darauf zu warten, ob sie sich nun entscheiden können oder nicht. Vermutlich glauben sie es tatsächlich. Aber so ist es selbstverständlich nicht!

Einen anderen Schwank aus dem projektvermittlerischen Komödienstadel erlebe ich im Moment gerade mit einem anderen Dienstleister, der sich an einer Ausschreibung für den Öffentlichen Dienst beteiligt. Da man als selbständiger Freiberufler bekanntlich keine Arbeitszeugnisse für seine absolvierten Projekte bekommt, möchte der öffentliche Kunde diese naturgemäß fehlenden schriftlichen Referenzen offensichtlich durch ein eigenes, handgestricktes Formblatt ersetzen, auf dem man sich von seinem Projektleiter im letzten Projekt bescheinigen lassen soll, daß, was und wie gut man dort gearbeitet hat. Der traurige Höhepunkt dieser absolut branchenunüblichen Vorgehensweise ist die schöne Formulierung: "Die Bewertung des Projekteinsatzes muß ein Ansprechpartner vom Referenzprojekt vornehmen."

Die hierbei getroffene Wortwahl läßt mich argwöhnen, daß entweder der Vermittler oder (was wahrscheinlicher ist) sein Kunde aus dem öffentlichen Dienst von völlig falschen Voraussetzungen über das reale Wirtschaftsleben ausgehen. Ein Ansprechpartner eines Referenzprojektes *muß* nämlich grundsätzlich erst einmal gar nichts, sondern steht allerhöchstens netterweise und ohne das Vorliegen irgendeiner Auskunftsverpflichtung zur Verfügung, sofern es ihm denn seine Zeit und das eigene Arbeitspensum erlauben, was gerade heutzutage nicht mehr unbedingt als selbstverständlich angesehen werden kann. Schließlich wird er ja weder von der Vermittlung noch von ihrem Kunden für diese Arbeitsleistung bezahlt.

Als ehemaliger Mitarbeiter im Projekt kann ich ihn höchstens höflichst darum *bitten*, jemandem derartige Auskünfte zu erteilen - es liegt jedoch keinesfalls in meiner Macht, diese ultimativ einzufordern oder gar zu erzwingen. Denn schließlich dürfte solchen Dingen, die nicht zum Job des Auskunftgebenden oder zum operativen Geschäft seines Arbeitgebers gehören, im Vergleich mit der eigenen aktuellen Projektarbeit auch und gerade für einen Projektleiter sicherlich die niedrigste mögliche Priorität zukommen. Es ist also ziemlich vermessen, wenn ein Vermittler oder sein Kunde wie selbstverständlich erwarten, daß andere Unternehmen für solche Auskünfte mit Priorität teuer bezahlte Arbeitszeit bereitstellen.

Nichtsdestotrotz habe ich besagtes Formular mit einem netten verbalen Blumenstrauß an meinen früheren Projektleiter zum Ausfüllen weitergeleitet. Daraufhin erlebte ich die nächste unliebsame Überraschung. Beim Projektgeber, einem namhaften deutschen Großunternehmen, ist man offenbar der administrativen Meinung, man dürfe derartige Auskünfte nicht geben, weil ich ja gar keinen Vertrag mit der Firma selbst, sondern einen mit meiner Vermittlung und diese wiederum ihrerseits einen mit dem Unternehmen hatte. Demzufolge muß nach Ansicht des Unternehmens meine Vermittlung das Formular ausfüllen. Man kapriziert sich auf die (rechtlich bislang leider völlig unbegründete) Aussage, man dürfe selbst keine Auskünfte über die Arbeit externer Berater im eigenen Hause geben, sondern müsse dies dem Projektvermittler überlassen.

Daraus ergeben sich natürlich zwei grundlegende Probleme. Zum einen hat offen gesagt niemand bei dieser Projektvermittlung auch nur den geringsten Schimmer, was ich während meiner fast drei Jahre in diesem Projekt fachlich wie technisch geleistet habe. Es hat sich auch nie jemand dafür interessiert, weil die Vermittlungsfirma auch so immer hübsch ihre Prozente kassiert hat. Lediglich die monatlichen Abrechnungen meiner absolvierten Stunden liefen über die Vermittlung. Das Management oder die Verwaltung der Firma wäre daher sicherlich keinesfalls der richtige Ansprechpartner für qualifizierte Auskünfte an meinen potentiellen neuen Endkunden.

Zum anderen wird meine frühere Projektvermittlung sicherlich auch den Teufel tun, durch das bereitwillige Erteilen von Auskünften über meine Arbeit in meinem früheren Projekt einer anderen Projektvermittlung als unmittelbarem Konkurrenten dabei zu helfen, eine Projektausschreibung zu gewinnen. Von dieser Seite ist also gewiß keine Unterstützung zu erwarten (selbst wenn diese, wie gesagt, vermutlich auch wenig hilfreich wäre). Mal ganz abgesehen davon, daß meine aktuellen Verhandlungen mit irgendwelchen anderen Vermittlern meine frühere Projektvermittlung auch wohl kaum etwas angehen. Und das alles nur, weil mein früherer Kunde sich aus unerfindlichen Gründen querstellt, obwohl er selbst damals vor Projektbeginn auch alle möglichen Auskünfte eingefordert hatte.

Insgesamt hat mich allein diese eine Projektausschreibung mit der ganzen Ausfüllerei diverser fragwürdiger Formulare, dem Senden, Empfangen, Beantworten, Weiterleiten, Zurückschicken und Archivieren von E-Mails, dem Betteln um Referenzauskünfte und den umfangreichen Erklärungen für die neue Projektvermittlung und für ihren Endkunden im öffentlichen Dienst bereits so viel Arbeitszeit gekostet, daß deren Wert in Euro unter Anrechnung marktüblicher Stundensätze langsam aber sicher den dreistelligen Bereich nach oben hin verläßt. Und dies, obwohl weder sicher ist, daß die Vermittlung tatsächlich Chancen hat, die öffentliche Ausschreibung zu gewinnen, noch, daß ich im Erfolgsfall auch tatsächlich mit diesem Projekt beauftragt werden würde. Und für meine bisherigen Bemühungen bekomme ich natürlich selbst im Erfolgsfall keinen Cent.

Da lobe ich mir letzten Endes doch fast schon wieder diejenigen Firmen, die sich auf die Zuschriften von Bewerbern konsequent überhaupt nicht melden und einem nicht einmal eine Absage erteilen, wenn man nicht berücksichtigt wird oder aus dem ganzen Projekt nichts geworden ist. Dabei kommt zwar logischerweise auch nicht mehr heraus, aber in diesem Fall verplempert man seine kostbare Zeit wenigstens nicht mit im Endeffekt vollkommen unnützer Arbeit und verbringt nicht wochenlang immer wieder ganze Tage damit, völlig sinnlose Formulare auszufüllen oder trantütigen, unfähigen oder einfach nur auskunftsunwilligen Vermittlern hinterherzulaufen. Aber mit Freiberuflern kann man's ja offenbar machen...

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