"Wir allein entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen, die uns gegeben ist." - Elbenbrosche in Edoras, eigenes Foto, 2005

Samstag, 29. August 2009, 12:18

Erkenntnisse aus einem Labyrinth

Gestern Abend haben Felis und ich zusammen den Film Pans Labyrinth gesehen. Danach war ich erst einmal für mindestens eine halbe Stunde nicht mehr in der Lage, irgendein Wort zu sagen. Vielleicht auch für länger, aber mir ist in dem Moment irgendwie jedes Zeitgefühl abhanden gekommen. Und auch jetzt fühle ich mich noch völlig fertig.

Felis sieht in diesem Film ja etwas, das einem Kraft und Hoffnung geben kann. Etwas, das einen ermutigen soll, trotz allen Widrigkeiten und des bösartigen Realismus' der Welt um einen herum die Phantasie nicht aufzugeben. Etwas, das einen dazu bringen kann, das Positive zu sehen und den Glauben in die Zukunft nicht zu verlieren.

Ich kann diese Einschätzung leider überhaupt nicht teilen. Bei mir erweckt dieser Film eher den Wunsch, mich auf der Stelle zu erschießen. Jedenfalls macht er mich zutiefst depressiv. Wo ist denn hier die vielgepriesene Macht der Phantasie? Was bewirkt sie Gutes? Mir sagt der Film eigentlich nur, daß es völlig sinnlos ist, zu versuchen, seine Träume zu leben, weil einen letzten Endes die Wirklichkeit doch gnadenlos wieder einholt.

Abgesehen von seiner teilweise doch ziemlich grausamen Gewaltdarstellung deprimiert der Film vor allem dadurch, daß im Laufe der Handlung fast alle, die irgendwie als gut, positiv, moralisch integer oder auch nur schlicht und einfach unschuldig sind, dafür sterben müssen. Zwar wird am Ende auch der Bösewicht getötet, aber zuvor hat er und hat damit die Härte der Realität gegenüber so ziemlich allem triumphiert, was in der im Film dargestellten Welt erhaltenswert gewesen wäre.

Und die Phantasie? Die hat letzten Endes keinerlei wirkliche Macht. Zwar versucht der Pan, der ja im Mittelpunkt von Ophelias kleinem Ausschnitt der Anderswelt steht, im Mittelteil des Films, Ophelias Mutter zu helfen. Allerdings wird dabei noch nicht einmal klar, ob es sich dabei um einen wirklichen helfenden Eingriff handelt oder die ganze Sache lediglich nur der Einbildung des Mädchens entspringt.

Als am Ende des Films jedoch wirklich echte, konkrete Hilfe gefordert ist, erweist sich die Welt der Phantasie als vollkommen hilflos und machtlos. Der Pan kann Ophelia nicht retten, und eigentlich gerät sie erst dadurch, daß sie ihm folgt, überhaupt in die für sie tödliche Situation. Wäre sie einfach im Bett geblieben, hätten die Guerillas sie gerettet. Nur dadurch, daß sie ihrer Phantasie gefolgt ist, wird sie am Ende erschossen, bevor die Hilfe kommt.

Nun könnte man sicherlich sagen: Das Gute hat doch gesiegt, denn zum einen wird das Böse ausgelöscht, zum anderen sind alle (verstorbenen) Guten sich selbst treu geblieben. Und sie haben zumindest alle im Tode ihre Freiheit gefunden. Der Doktor, weil er dem Bösewicht mit seinen letzten Worten die Wahrheit gesagt hat. Ophelia, weil sie sich von ihrem Stiefvater in letzter Konsequenz nicht hat bestimmen und einschüchtern lassen.

Mit ist diese Einstellung entschieden zu christlich. Erinnert mich zu sehr an ach so glorreiche Märtyrertode. Oder auch an literarische Figuren wie zum Beispiel Lessings Emilia Galotti, deren moralische Konsequenz mir persönlich zutiefst zuwider ist. "Wer kann der Gewalt nicht trotzen?" Klar - indem man sich ihr ausliefert und sich von ihr vernichten läßt. Letzten Endes ist auch das doch auch alles nur eine beschönigende, selbstbetrügerische Form des Aufgebens.

Mir hat der Film jedenfalls im Endeffekt überhaupt nicht gefallen. Nicht, daß er irgendwie dazu angelegt wäre, gefällig zu sein, nein, das meine ich nicht. Mich hat er in ganz anderer Weise enttäuscht. Ich persönlich ziehe gerne Kraft aus Geschichten, die mir wirklich zeigen, daß Hoffnung, daß Glaube an die Zukunft, daß Phantasie nicht sinnlos sind. Sollte dies jemals die Intention des Regisseurs gewesen sein, so hat er dieses Ziel zumindest bei mir gnadenlos verfehlt. Mich hat der Film verängstigt und zutiefst getroffen. Es wird eine ganze Weile dauern, bis ich wieder in der Lage sein werde, meiner Phantasie freien Lauf zu lassen.

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