"Wir allein entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen, die uns gegeben ist." - Elbenbrosche in Edoras, eigenes Foto, 2005

Sonntag, 6. Dezember 2009, 15:30

Impressionen aus dem Kraftwerk Boxberg

Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50. Geburtstag meiner künftigen Schwiegermutter durften wir an einer sehr individuellen Führung durch das Braunkohle-Kraftwerk Boxberg teilnehmen. Beide Eltern meiner Liebsten arbeiten dort, und ihr Vater (seines Zeichens Schichtleiter) führte unsere Gruppe durch fast alle modernen Bereiche des Kraftwerkes. Leider dürfen die nach der Wende wegen unzureichender Effizienz und mangelnder Filtertechnik stillgelegten alten Teile des Kraftwerks von Besuchern nicht mehr betreten werden, obwohl uns das sicherlich auch sehr interessiert hätte.

Für mich persönlich hat dieses Kraftwerk insofern eine besondere Bedeutung, als daß ich damals nach der Wende im sogenannten Politikunterricht (Zwangs-Ergänzungskurs, am späten Nachmittag, um diejenigen, die dieses Fach nicht freiwillig gewählt hatten, mit Freizeit-Entzug und Hausaufgaben bis tief in die Nacht zu bestrafen) einen umfassenden Vortrag über Umweltprobleme in der ehemaligen DDR halten mußte und dabei natürlich auch an der Erzeugung von Energie aus Braunkohle nicht vorbeigekommen bin. In den 80er Jahren war Boxberg mit einer installierten Gesamtleistung von 3.520 Megawatt das größte Kraftwerk der DDR und das größte Braunkohlekraftwerk Europas.

Nach Stillegung der 12 älteren DDR-Blöcke aus den 60er und 70er Jahren liegt Boxberg mit 1.900 MW bundesweit nur noch auf Platz 9. Nach Fertigstellung des derzeit im Bau befindlichen, neuen Blockes R wird es jedoch mit 2.570 MW immerhin wieder auf Platz 4 liegen (hinter den beiden derzeitigen "Spitzenreitern" Niederaußem und Jänschwalde sowie dem gigantomanischen Neubau in Neurath bei Grevenbroich, dessen beide neuen Blöcke trotz diverser tödlicher Unfälle auf der "größten Baustelle Europas" angeblich noch 2010 in Betrieb gehen sollen, womit dieses Kraftwerk dann mit insgesamt 4.400 MW unangefochten die Nummer 1 wäre).

Die Führung durch das Kraftwerk Boxberg war sehr beeindruckend. Es ist allerdings schwer möglich, die gigantischen Ausmaße der Anlagen jemandem zu beschreiben, der diese nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Schon die Turbinenhalle ist riesig, aber noch gar nichts gegenüber dem Gebäude, das die gewaltige Brennkammer beherbergt und mit fast 160 Metern Höhe die Ausmaße eines ausgewachsenen Wolkenkratzers hat - auch wenn einem Betrachter das Einschätzen der tatsächlichen Höhe angesichts des völligen Fehlens äußerlich sichtbarer Stockwerke schwer fällt. Der Ausblick vom Dach des Hauptgebäudes ist jedenfalls atemberaubend.

Die meisten der einst knapp 300 Meter hohen Schornsteine wurden bereits gesprengt oder abtragen, da sie seit der Nachrüstung der Rauchgaswaschung nicht mehr benötigt wurden. Dafür bestimmen jetzt die Neubauten des riesigen Blockes aus den 90er Jahren bzw. des aktuellen Neubaus und ihre kaum minder gewaltigen Kühltürme das Bild. Zur Zeit werden sie immer noch flankiert von einer ganzen Batterie älterer Kühltürme aus der Zeit der DDR, von denen allerdings ebenfalls bereits einige abgerissen wurden. Der Blick reicht weit über die Tagebaue, die die vom Kraftwerk benötigte Braunkohle liefern. Von einer natürlichen Landschaft kann in dieser Gegend allerdings kaum noch die Rede sein, das können auch die wieder eingewanderten Wölfe nicht kaschieren.

Gerne würde ich an dieser Stelle Fotos aus dem Inneren des Kraftwerkes zeigen, aber ich schätze, daß der Betreiber Vattenfall wohl vermutlich etwas dagegen haben würde. Gegen einige Außenaufnahmen des Kraftwerkes sowie ein paar Ausblicke vom Dach dürfte hingegen wohl nichts einzuwenden sein. Außerdem gibt es ein paar Aufnahmen von einem alten Schaltpult aus der Anfangszeit des Kraftwerkes im kraftwerkseigenen Museum. Da sah die Technik noch richtig niedlich aus! Und man hatte als Bediener tatsächlich noch etwas Richtiges zum Anfassen. Die gleichen russischen Bauelemente sollen übrigens auch auf der Raumstation MIR verwendet worden sein.

Zum Abschluß des Artikels folgen noch ein paar spektatuläre Fotos aus dem untersten Teil der Brennkammer, in welchen man über eine ganze Batterie von mit Spezialglas versehenen Klappen hineinschauen kann. Angesichts dieser Bilder, die einem Blick in das tiefste Herz der Hölle gleichzukommen scheinen, fällte es einem ziemlich schwer, sich zu vergegenwärtigen, daß es sich hierbei in Wirklichkeit nur noch um die glühende und ausbrennende Asche handelt und daß der eigentliche Verbrennungsvorgang, der die zur Dampferzeugung und damit zur Stromgewinnung nutzbare Energie erzeugt, mehr als 100 Meter weiter oben stattfindet.

Außenansicht des größten Kraftwerks-Blockes (907 MW):



Aussicht vom Kraftwerks-Dach auf die älteren Kühltürme:



Aussicht vom Dach auf den derzeit modernsten Kühlturm:



"Schüttgut-Absetz-und-Wiederaufnahmegerät" (Schaufelradbagger):



Russisches Schaltpult mit bunt aufgemalten Schaltkreisen:



Das war damals noch richtige Technik "zum Anfassen":



Impressionen aus dem tiefsten Herzen der Hölle, Teil 1:



Impressionen aus dem tiefsten Herzen der Hölle, Teil 2:



Impressionen aus dem tiefsten Herzen der Hölle, Teil 3:



Impressionen aus dem tiefsten Herzen der Hölle, Teil 4:

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Toller Bericht, bin auch begeistert von diesen Kraftwerken. Fahr mal ins Kraftwerk Lippendorf, das ist auch ein gigantisches Kraftwerke und in der Umgebung kannst noch auf DDR - Umweltsünden - Spurensuche gehen.(Thierbach,Espenhain, Mölbis, Böhlen, Leuna, Schkopau oder Bitterfeld und viele ehemalige und aktive Tagebaue)

Anonym hat gesagt…

guter beitrag
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