"Wir allein entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen, die uns gegeben ist." - Elbenbrosche in Edoras, eigenes Foto, 2005

Freitag, 18. Dezember 2009, 22:15

Ein Hoch auf die "lieben" Kollegen!

Menschlichkeit ist heutzutage anscheinend nicht mehr allzu weit verbreitet. Auch und gerade unter Arbeitskollegen nicht. Diese Erkenntnis ist natürlich nichts bahnbrechend Neues, aber im Laufe der letzten Wochen durfte ich dieses leidige Phänomen wieder einmal sehr beispielhaft erleben. Ganz besonders die guten Manieren vergessen darf man offensichtlich gegenüber externen Mitarbeitern, denn die sind ja bekanntlich keine richtigen Menschen. Selbst wenn man sie sich für ziemlich teures Geld ins Haus holt und sie doppelt so viel zum Projekterfolg beitragen wie der durchschnittliche Festangestellte. Da können noch so viele hehre Firmenrichtlinien zum zwischenmenschlichen Umgang in der Teeküche an der Wand hängen. Gelebt werden sie alle nicht, erst recht nicht, wenn die Firmenleitung es nicht vormacht.

Seit Anfang November bin ich nun als externer Mitarbeiter bei einer Firma in Dortmund tätig. Zuerst war davon die Rede, daß man mich bis weit ins kommende Jahr 2010 weiter beschäftigen wolle. Inzwischen hat sich aber herausgestellt, daß die Auftragslage wohl dafür nicht reicht, so daß ich zu Weihnachten meinen Schreibtisch wieder räumen muß. Nun ja, so etwas kann natürlich immer einmal passieren, damit muß man als Freiberufler in dieser Branche rechnen, und dieses reine Faktum kann, will und werde ich hier auch niemandem negativ ankreiden. Auch wenn man sich das Ganze durchaus etwas früher hätte überlegen können.

Was mich aber einigermaßen wütend macht, ist der Umgang, der mit Externen in dieser Firma gepflegt wird. So bin ich beispielsweise von Anfang an zu keiner Veranstaltung dieser Firma mit eingeladen worden, weder zur allgemeinen Weihnachtsfeier noch zum Abteilungs-Frühstück vor Weihnachten, ja nicht einmal zum Weihnachtsmarkt-Besuch der Abteilung mit gemeinsamem Glühweintrinken, obwohl zumindest dabei sicherlich jeder selbst bezahlt hat und meine Teilnahme ganz bestimmt keine finanzielle Belastung für die Firma dargestellt hätte. Ein näheres Kennenlernen untereinander war also ganz offensichtlich unerwünscht.

Jemand, der sich damit auskennt, sagte mir, daß dies im Fall von Zeitarbeitskräften bzw. Leiharbeitern bei einigen Firmen durchaus gang und gäbe sei. Das mag durchaus so sein, obwohl ich es auch in diesen Fällen für unangebracht halten würde. Aber zum Einen bin ich keine Zeitarbeitskraft und kein Leiharbeiter, und zum Anderen ist es gerade in Bereichen, in denen man hochqualifizierte externe Fachkräfte benötigt und sie sich für gutes Geld zur Unterstützung ins Haus holt, normalerweise nicht üblich, diese dann als Mitarbeiter zweiter Klasse zu behandeln.

Während meines letzten Projektes bei einem großen deutschen Automobilhersteller war es jedenfalls selbstverständlich, daß auch alle externen Arbeitskräfte zu jeder Feier und Veranstaltung mit eingeladen wurden. Aufgrund der vielfältigen Struktur der Abteilungen waren das so viele Termine, daß man sich am Ende sogar gezwungen sah, den einen oder anderen abzusagen. Und dabei sollte man doch eigentlich meinen, daß in einem solchen Großunternehmen insgesamt eine viel unpersönlichere Atmosphäre herrscht als in einem kleinen Software-Haus wie dem, in dem ich jetzt gerade tätig bin.

Wenn es umgekehrt wenigstens eine Gleichbehandlung für alle nicht festangestellten Mitarbeiter gäbe, könnte ich das ja vielleicht noch verstehen. Aber bei dieser Firma werden beispielsweise Studenten, ganz gleich, wie häufig sie überhaupt erscheinen, durchaus mit eingeladen. Nicht eingeladen hingegen waren außer mir eigentlich nur die Putzfrauen. Aber denen wird in dieser Firma sowieso mit herzlich wenig Respekt begegnet. Man versucht sie bestenfalls zu ignorieren, und eine von ihnen war neulich sehr überrascht, daß man mit mir im Gegensatz zu den festangestellten Mitarbeitern tatsächlich reden konnte und nicht wie Luft behandelt wurde.

Wie Luft habe ich mich hier persönlich des Öfteren gefühlt. Es sind die scheinbar kleinen Dinge, die einem in der Summe das Gefühl geben, nicht dazuzugehören und - rein menschlich gesehen - mehr als überflüssig zu sein. Erst nach einigen Tagen kam mal jemand auf die Idee, mich zu fragen, ob ich zum Mittagessen mit in die Kantine des Technologieparks mitkommen wolle, bzw. mir überhaupt von dieser Möglichkeit zu erzählen. Mehrere Male "vergaßen" mich die Kollegen, obwohl ich vorher ausdrücklich gesagt hatte, daß ich mitkommen wollte. Auf jeden anderen wurde vor dem Essengehen gewartet, wie lange auch immer er auf sich warten ließ. Nur wenn ich eben noch mal fix auf die Toilette wollte, konnte ich damit rechnen, den lieben Kollegen zur Kantine hinterherrennen zu dürfen. (Denn wenn man dort als Letzter fertig wurde, drängelten sie wiederum und bewiesen nicht für fünf Cent Geduld.)

Nach immerhin 6 Wochen habe ich jetzt übrigens auch (natürlich nur durch puren Zufall) herausgefunden, daß man hier als Mitarbeiter Mineralwasser umsonst bekommt. Sagt einem ja keiner! Einen Schlüssel für die Eingangstür habe ich ohnehin nicht erhalten, so daß ich immer warten mußte, bis der nächste feste Mitarbeiter nach mir eintraf. Denn im Denken der Festangestellten gibt es hier offenbar keinen Platz dafür, daß jemand keinen Schlüssel haben könnte. Und so öffnet einem auch niemand die Tür, wenn man schellt. Gelegentlich hängen mich hier auch die Festangestellten auf dem Weg aus dem Parkhaus schnellen Schrittes ab und lassen die Tür hinter sich zufallen, obwohl sie mich bereits gesehen haben und genau wissen, daß ich keinen Schlüssel habe.

Dieses ganze Verhalten muß alles noch nicht einmal Absicht sein - dagegen könnte man vielleicht noch administrativ vorgehen, indem man sich an irgendwelche Vorgesetzten wendet. Ich glaube vielmehr, es handelt sich dabei um die selbe Gleichgültigkeit, die heute die meisten Menschen an den Tag legen, wenn es um andere Menschen geht. Es interessiert einfach keinen mehr, was anderen Leuten widerfährt, zumindest solange es sich nicht um Personen handelt, auf die man dauerhaft angewiesen ist oder vor denen man sich schon von Amts wegen in Acht nehmen muß, beispielsweise, weil es sich um den eigenen Chef oder Abteilungsleiter handelt. Die hat hier jedenfalls noch niemand ausgesperrt.

Ein ganz besonders dreistes Beispiel für Mißachtung und Gleichgültigkeit gegenüber den Bedürfnissen anderer durfte ich heute Vormittag erfahren. Nur durch einen dummen Zufall erhielt ich gestern eine Antwort auf eine Antwort auf eine Antwort auf eine Einladung zum Team-Frühstück, das heute stattfinden sollte. Da ich aber zum Einen mittlerweile auch keine große Lust mehr verspürte, drei Tage vor meinem Abgang hier plötzlich noch einen auf "soziale Kontakte" zu machen (das hätte man sich vielleicht mal überlegen sollen, als ich hier angefangen habe!), und außerdem bis Weihnachten noch reichlich zu tun habe (ich sitze hier ohnehin schon als einziger Mitarbeiter jeden Tag mindestens 10 Stunden lang am Rechner), habe ich diesen eigentlich sowieso nicht an mich gerichteten Termin sicherheitshalber lieber abgesagt.

Irgendwann kam dann der Abteilungsleiter herein und teilte meinem (davon ebenfalls ziemlich entgeisterten) Projektleiter und mir mit, daß man das Weihnachts-Frühstück in unserem Büro abzuhalten gedenke, weil dieses der größte Raum auf der Etage sei - ob wir nun wollten oder nicht. Da der Abteilungsleiter bereits gegenüber den Protesten des Projektleiters ziemlich unwirsch den Vorgesetzten heraushängen ließ, wagte ich es gar nicht erst, ebenfalls zu protestieren, und stellte mich zähneknirschend darauf ein, meine Arbeit bei nervigem Weihnachtsmusik-Gedudel und mit zwei Dutzend mampfenden und quasselnden Kollegen im Büro weiterführen zu müssen.

Schließlich brüllt hier immerhin auch sonst schon der Projektleiter ständig stundenlang jemanden lautstark am Telefon an, so daß man sich kaum einmal richtig auf die Arbeit konzentrieren kann. Und immerhin hatte sich nun ebendieser Projektleiter mit ziemlich angefressener Miene in ein anderes Büro zurückgezogen, um statt dessen eben von dort aus jemanden stundenlang am Telefon anzubrüllen (in dessen Haut ich angesichts der Laune des Projektleiters speziell heute nun wirklich nicht hätte stecken mögen). So war zumindest dieser eine Störfaktor ausnahmsweise einmal ausgeschlossen, obwohl das durch die ganzen Kollegen und den lautstarken Stille-Nacht-Heilige-Nacht-Terror natürlich mehr als aufgewogen wurde.

Eine Zeit lang ging mein Vorhaben, trotzdem noch weiterzuarbeiten, wider Erwarten gut. Aber dann raunzte mich der Abteilungsleiter an, ich wolle jetzt hier doch etwa nicht arbeiten, damit würde ich nur den anderen die Feierlaune verderben. Ich erwiderte, es täte mir ja leid, daß ich versuchen müßte, zu arbeiten, um die mir gestellten Aufgaben noch vor meinem Abgang aus dem Unternehmen fertig zu bekommen. Zunächst schien es damit getan zu sein, und ich konnte noch etwas weiterarbeiten. Aber dann meinte er ziemlich barsch: "Das war jetzt übrigens ernst gemeint."

Also mußte ich meinen Platz räumen - der übrigens im Verlaufe der darauf folgenden zwei Stunden von den lieben Kollegen großflächig mit Kaffeeflecken überzogen wurde, aber natürlich dachte niemand auch nur im Traum daran, diese selbst wegzuwischen. In der Zwischenzeit lief ich relativ planlos durch das Haus und fragte mich, ob ich die auf diese Weise verlorene Zeit denn wenigstens bezahlt bekomme - denn schließlich werde ich nach den von mir geleisteten Stunden entlohnt. In Rechnung gestellt habe ich sie jedenfalls. Denn ich sehe ja gar nicht ein, warum ich es zu vertreten haben sollte, wenn man mich vorsätzlich bei meiner Arbeit behindert!

Immerhin gelang es mir während dieser ansonsten ziemlich vertanen Zeit, eine Lösung für unsere massiven Datenbankprobleme der letzten Wochen zu finden: Es stellte sich nämlich heraus, daß zwar alle immer lautstark lamentiert hatten, aber niemand einen so simplen Schritt wie einen Neustart des Servers in Erwägung gezogen hatte. Nicht, daß ich nicht bereits längst darauf hingewiesen gehabt hätte (ich selber darf das ja nicht machen) - aber auch in dieser Hinsicht hat einfach niemand auf mich gehört. Übrigens auch heute nicht, jedenfalls ist bislang immer noch kein Neustart erfolgt, weshalb auch alle anderen Kollegen mit ihrer Arbeit nicht wirklich vorankommen. Ein weiterer typischer Fall dieser unseligen Gleichgültigkeit.

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