"Wir allein entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen, die uns gegeben ist." - Elbenbrosche in Edoras, eigenes Foto, 2005

Dienstag, 13. Oktober 2009, 23:14

Lost Place: Trau Dich 17 - Alter Postbahnhof Leipzig

Am vergangenen Sonntag waren die Mietz und ich zusammen mit Stabru-Frank wieder einmal auf großer Lost-Place-Tour und haben dabei fünf Lost-Place-Geocaches in Leipzig gesucht und gefunden. Wenn man mit offenen Augen durch die Stadt fährt, scheint gerade Leipzig auf dem besten Wege zu sein, sich zu einem einzigen großen Lost Place zu entwickeln. So viele leerstehende Gebäude, vom lediglich renovierungsbedürftigen Zustand bis zur abbruchreifen Ruine, habe ich auf so engem Raum noch nirgends gesehen. Teilweise befinden sich diese sogar mitten in der Stadt, fast direkt neben den Neubauten im Zentrum oder neben dem nach der Wende erneuerten Hauptbahnhof.

In den letzten Jahren wurden in vielen dieser Bauten Lost-Place-Geocaches verlegt. Besondere (auch überregionale) Aufmerksamkeit in der Geocacher-Szene hat sich dabei die "Trau Dich"-Reihe erworben, und dies mit Recht. Alte Industriebauten, Druckereien, ehemalige Getreidemühlen und unterirdische Fluchtbunker sind nur ein paar Beispiele für Örtlichkeiten, die im Rahmen dieser Serie vorgestellt werden. An diesem Wochenende haben wir unter anderem die Geocaches GC1WWH1 "Trau Dich 20 - Altes Zollamt" und GC1NFFK "Trau Dich 17 - Alter Postbahnhof Leipzig" besucht.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigte sich, dass die alten Leipziger Bahnpostanlagen dem stetig steigenden Postverkehr immer weniger gewachsen waren. Deshalb wurde die Errichtung eines neuen, zentralen Postbahnhofs und Bahnpostamts beschlossen. Als Standort wurde ein Gebiet nördlich der Leipzig-Dresdner Bahnstrecke auf der südlichen Schönefelder Flur ausgewählt. Die gesamten Baukosten beliefen sich einschließlich des Grundstückserwerbs auf 5 Millionen Mark. Am 1. Februar 1912, fast drei Jahre vor der Eröffnung des Leipziger Hauptbahnhofs, konnte der Leipziger Postbahnhof in Betrieb genommen werden.

Das Hauptgebäude des Leipziger Postbahnhofs ist 200 m lang und hat eine überdachte Fläche von 16000 m². Die achtbogige Halle des als Kopfbahnhof ausgestalteten Objekts überspannte 26 Gleise (13 für die Preußischen und 13 für die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen) und 16 Bahnsteige. Der Platz für bis zu 90 Bahnpostwagen machte den Leipziger Postbahnhof zur größten Bahnpostanlage seiner Zeit. Im Jahre 1913 wurden im Postbahnhof Leipzig 10,4 Millionen Stück abgehende und 4,8 Millionen Stück ankommende Pakete umgeschlagen. Hinzu kamen überdies noch 36 Millionen Stück im Durchgangsverkehr.

Im Laufe der Zeit wurde der Postbahnhof ständig baulich erweitert und technisch verbessert. So wurde 1936 an der Rohrteichstraße ein großer Erweiterungsbau fertig gestellt, der den betrieblichen Anforderungen bis zur Schließung 1994 genügen konnte. Mit der Umwandlung der Deutschen Bundespost in die Deutsche Post AG stellte diese die Bahnpost im gesamten Bundesgebiet ein und verlagerte die Posttransporte auf die Straße und in die Luft. Die unter Denkmalschutz stehenden Anlagen des Leipziger Postbahnhofs stehen seitdem leer.

Nachfolgend möchte ich mit ein paar beispielhaften Fotos die Faszination und die morbide Schönheit dieses Lost Places vorstellen. Insgesamt habe ich in den Stunden, die wir auf dem Gelände verbracht haben, 190 Fotos geschossen, die ich an dieser Stelle natürlich nicht alle veröffentlichen kann. Rationale Betrachter mögen auf diesen Bildern vielleicht nur den Verfall sehen, phantasiebegabten Menschen wird sich jedoch erschließen, daß hier jeder Stein den Hauch der Geschichte atmet. An dieser Stelle sei aber ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das Betreten eines derartigen Geländes natürlich immer nur auf eigene Gefahr erfolgt. Jeder Besucher sollte sich stets der Eigenverantwortlichkeit seines Handelns bewußt sein.

Rückwärtige Ansicht der Bahnhofs-Hallen:



Aussicht über Bahnhofshalle und Verwaltungs-Trakt:



Blick durch die gut erhaltene Bahnhofshalle:



Bunte Graffiti an der Wand zum Bürotrakt:



Büro im Erdgeschoß des Lieferungsbereiches:



Definitiv keine korrekte Aufbewahrung alter Akten:



Gut erhaltener Waschraum, noch mit Papier im Spender:



Schummriger Lichteinfall durch halb blinde Fenster:



Stimmungsvolle "Licht-Installation" in einem Büro:



Rohrgewirr in einem staubigen, verfallenden Keller:

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