"Wir allein entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen, die uns gegeben ist." - Elbenbrosche in Edoras, eigenes Foto, 2005

Montag, 31. August 2009, 16:53

Internet macht unhöflich

Haben Sie das auch schon einmal erlebt? Sie unterhalten sich gerade ganz angeregt mit jemandem, vielleicht mit einer Person, die Sie kennen oder sogar lieben. Und plötzlich, mitten im Satz, ohne daß Sie irgendetwas gesagt oder getan hätten, was ein solches Verhalten rechtfertigen würde, macht Ihr Gegenüber auf dem Absatz kehrt, sperrt die Ohren zu und knallt ihnen die Tür vor der Nase zu.

Wie bitte? So etwas ist Ihnen noch nicht vorgekommen? Schon gar nicht bei Personen, die sie kennen oder sogar lieben? Nun, dann gehen sie mal ins Internet und versuchen Sie, dort mit anderen Menschen zu kommunizieren. Nutzen Sie ICQ oder verabreden Sie sich mit jemand anderem in irgendeinem Chat, und schon wird die oben beschriebene Erfahrung bestimmt nicht mehr lange auf sich warten lassen.

In der Internet-Welt nennt sich dieses Verhalten Logoff oder Logout und ist zumeist mit einem einzelnen Mausklick erledigt. Manchmal verschwindet der Gesprächspartner einfach spurlos, einige Chats teilen einem sein Verschwinden wenigstens noch durch eine einheitliche Systemmeldung mit, und die komfortableren Varianten garnieren das virtuelle Türzuschlagen manchmal durch eine vom User voreingestellte, meist relativ nichtssagende Standard-Botschaft wie "bin dann jetzt mal weg" oder "/me beamt sich nach Hause".

Dabei kann das Medium Chat an sich eigentlich gar nicht allzu viel dafür, wenn man einmal davon absieht, daß die verwendete Software in aller Regel die Möglichkeiten dafür zur Verfügung stellt, sich ohne Vorankündigung, ohne ein weiteres Wort und ohne eine Verabschiedung, wie sie im sogenannten "realen" Leben die Höflichkeit gebieten würde, aus einem laufenden Gespräch auszuklinken. Dafür, daß diese Möglichkeiten auch tatsächlich in dieser Art und Weise angewendet werden, sind die Benutzer allerdings selbst verantwortlich.

Und nur allzu viele agieren auf diese Weise. Natürlich ist es einfacher, sich ohne jegliche Form von elementarer Höflichkeit zu verdrücken. Schließlich ist Tippen ja anstrengend (Reden übrigens auch...), und deshalb verfallen immer mehr Benutzer in solche Unsitten. Und zwar nicht nur, wenn man mit irgendwelchen wildfremden Leuten in einem x-beliebigen Chat über irgendwelche völlig nichtssagenden Allerwelts-Themen diskutiert. Sondern zunehmend auch im persönlichen Gespräch mit den engsten Freunden oder sogar mit dem eigenen Partner.

Ein derartiges Verhalten würde in der Realität wohl kaum toleriert und dürfte wohl binnen kürzester Frist zum Verlust der besagten Freunde oder Partner führen. Im Internet hingegen scheint es mittlerweile zum allgemeinen Verhalten dazuzugehören. Offenbar neigen die meisten von leider uns kollektiv dazu, zu vergessen, daß am anderen Ende der Leitung auch ein Mensch sitzt und nicht nur irgendein anonymes Etwas, das zu unserer ganz persönlichen Unterhaltung Zeichen auf einem Bildschirm produziert und beliebig an- oder abgeschaltet werden kann.

Und so behandeln wir über kurz oder lang nicht nur wildfremde Menschen, sondern auch Personen, die wir kennen oder vielleicht sogar lieben, mit gleicher Respektlosigkeit wie irgendwelche namenlosen Dinge aus Computerprogrammen oder wie unsere tausendfach geprügelte Tastatur. Schlagen ihnen virtuell mitten im Satz die Tür vor der Nase zu, ignorieren damit sie selbst, ihre Gefühle und ihre gesamte Persönlichkeit und geben ihnen damit deutlich zu verstehen, wo ihr wahrer Platz als kleine Menschen in unserer modernen, globalisierten, vernetzten und computerisierten Welt ist: Irgendwo hinter dem Ausschalt-Knopf.

2 Kommentare:

Felis Saeva hat gesagt…

Hallo Sternchen,

ich weiß, worauf Du hinaus willst. Aber bitte denke bei Deinem Luftmachen auch daran, dass manche Menschen dazu von höherer Gewalt genötigt werden, sich aus dem Internet auszuklinken und dann nicht nur keine Zeit mehr haben, sondern auch keine Gelegenheit mehr haben, Sich höflich zu verabschieden. Da muss ein kurzes "muss arbeiten", "muss weg" leider reichen.

Heinrich von Aspelkamp hat gesagt…

Das ist ja alles schön und gut, kann aber wohl kaum als Ausrede dafür herhalten, sich regelmäßig in dieser Weise zu verhalten. Viele Menschen machen es sich geradezu zur Angewohnheit, jedes Mal auf diese unhöfliche Weise von der Bildfläche zu verschwinden.

Und es ist ja auch nicht nur allein die mangelnde Höflichkeit der Verabschiedung, sondern auch, daß man den anderen mitten im Thema, mitten im Satz abwürgt, möglicherweise ohne eine Erklärung für das, was man selbst gerade geschrieben hat, oder mittendrin in einer wichtigen Frage oder Antwort. Das ist in meinen Augen einfach nur respektlos.

Würde sich jemand beispielsweise beim Telefonieren entsprechend verhalten, also einfach mitten im Gespräch ohne Vorwarnung mit einem knappen "Tschüß" auflegen, ohne dem Gesprächspartner auch nur den Hauch einer Chance zu einer Reaktion zu geben, hätte dafür wohl auch niemand Verständnis. Und dann würde diese Person früher oder später niemand sicher mehr anrufen.

Wenn nun die Konsequenz sein soll, daß man sich als Chat-Benutzer selbst bei engsten Freunden an derartige schlechte Umgangsformen zu gewöhnen hat, weil das im Netz angeblich "nun mal so ist", dann überlege ich mir ernsthaft, künftig auf derartige unhöfliche Mittel und Wege der Kommunikation zu verzichten. Weil ich nämlich weder Lust habe, mich ständig vor den Kopf stoßen zu lassen, noch, mich daran auch noch gewöhnen zu müssen.