"Wir allein entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen, die uns gegeben ist." - Elbenbrosche in Edoras, eigenes Foto, 2005

Freitag, 25. Dezember 2009, 19:05

Stille Nacht, Heilige Nacht

Weihnachten ist ja angeblich das Fest der Besinnlichkeit, doch leider war in diesem Jahr erst sehr spät irgendetwas davon zu spüren. Bis zum 23. Dezember hatte ich in meinem auslaufenden Projekt noch reichlich zu tun. Nachdem ich dann gegen 17 Uhr endlich Feierabend hatte (außer der Putzfrau hatte sich der gesamte Rest der Firma längst in den Winterurlaub verabschiedet), habe ich meine Liebste am S-Bahnhof der Universität Dortmund abgeholt. Aufgrund zahlreicher Staus vor allem auf der Autobahn 2 mußten wir ungefähr die Hälfte der Strecke bis Bielefeld über Landstraßen fahren, was allerdings annähernd ebenso nervig war, wie im Stau zu stehen, weil die Heerscharen von Feierabendfahrern selbst auf freiester Strecke einfach nicht aus dem Quark kamen.

So gegen halb Acht kamen wir schließlich einigermaßen entnervt in Bielefeld an. Nach dem Abendessen hatten wir wohl verständlicherweise nicht mehr allzu viel Nerven dazu, noch unsere Koffer auszupacken, so daß alles stehen und liegen blieb und wir ziemlich kaputt ins Bett fielen. Allzu lange ausschlafen konnten wir an Heiligabend allerdings nicht, weil wir noch einige Einkäufe erledigen und vor allem noch einen Weihnachtsbaum besorgen mußten. Um wenigstens ein Bißchen an die frische Luft zu kommen, haben wir anschließend noch einen kleinen Abstecher zu meinem Geocache GCXWBT Franziskaner unternommen, der nach dem Ende der Ausgrabungen an der Klosterruine wieder an seinen ursprünglichen Platz verlegt werden konnte.


Vor dem Schmücken des Weihnachtsbaumes haben wir anschließend erst einmal meine Einliegerwohnung aufgeräumt. Zum einen hatte ich mein ganzes Gepäck wieder dabei, mit dem ich während des anderthalbmonatigen Projekteinsatzes die Wohnung meiner Liebsten komplett vollgestellt hatte und das jetzt wieder aus den Koffern in die dafür vorgesehenen Schränke oder zumindest in die Waschmaschine wollte. Außerdem mußte sich meine Liebste mit den für den kurzen Weihnachtsurlaub mitgebrachten Klamotten irgendwie bei mir einrichten, und obendrein standen mein Tisch, mein Schreibtisch und die ganze Küche mit allem möglichem Kram voll, der in den letzten Monaten auch wegen des Projekteinsatzes liegengeblieben war. Schließlich wollte ich Weihnachten nicht in einer zugestellten Wohnung mit dem Flair einer Müllhalde verbringen.

Leider hatte meine liebe Mutter dafür nicht gerade allzu viel Verständnis. Den halben Nachmittag fing sie an, in ihrer unnachahmlichen Art zu hetzen und herumzunerven. Ständig fragte sie, ob ich den Weihnachtsbaum denn dieses Jahr gar nicht schmücken wolle, ob ich den Weihnachtsbaum erst am ersten Feiertag schmücken wolle, ob ich gar kein Weihnachten feiern wolle, ob ich den Weihnachtsbaum denn dieses Jahr gar nicht schmücken wolle, ob ich den Weihnachtsbaum erst am ersten Feiertag schmücken wolle, ob ich gar kein Weihnachten feiern wolle, ob ich den Weihnachtsbaum denn dieses Jahr gar nicht schmücken wolle, ob ich den Weihnachtsbaum erst am ersten Feiertag schmücken wolle, ob ich gar kein Weihnachten feiern wolle, ungefähr so häufig und in dieser Reihenfolge.

Nachdem sie mich schließlich mehrere Male für bescheuert erklärt, mir vorgehalten hatte, daß ich angeblich zu überhaupt keiner Zeitplanung in der Lage sei (wie immer, wenn meine eigene Zeitplanung nicht exakt der ihren entspricht) und mich mit allen diesen kleinen Nettigkeiten ständig aus dem Konzept gebracht und obendrein auch noch ziemlich lange aufgehalten hatte, kam ich dann endlich dazu, den Weihnachtsbaum zu schmücken. Es wäre sehr schön gewesen, wenn ich vorher erst noch in Ruhe einen Tee trinken, ein paar Kekse essen und statt des blöde herumquäkenden Fernsehers etwas schöne Musik von einer CD hätte anstellen können, aber selbst dieses kleine Maß an Ruhe und Besinnlichkeit war mir leider nicht vergönnt.

Statt dessen mußte ich im Turbo-Tempo den Weihnachtsbaum schmücken, wobei mir meine Mutter ständig überhastet irgendwelche Kerzen, Kugeln oder Strohsterne in die Hand zu drücken versuchte, obwohl ich längst noch beide Hände voll mit anderen Dingen hatte. Dadurch schaffte sie es, die ganze Aktion eher noch hinauszuzögern als zu beschleunigen, und erzeugte jede Menge völlig unnötigen Streß. Gleichzeitig hackte sie weiterhin auf mir herum und provozierte mich ständig, so daß ich am Ende fast explodiert wäre und meine Liebste es vorzog, sich nach nebenan zurückzuziehen. Der Höhepunkt war, daß ich mir dann auch noch anhören mußte, wieso ich denn meinen Tee gar nicht trinken würde, der würde doch kalt. Kein Wunder, wenn sie mich gar nicht zum Trinken kommen läßt!


Die Weihnachtsstimmung war mir zu diesem Zeitpunkt jedenfalls schon mal gründlich verhagelt. Zum Glück hat meine Mutter es irgendwann doch noch geschafft, sich für den Rest des Abends zusammenzunehmen, ansonsten wäre es wohl irgendwann noch zu handfesten Auseinandersetzungen gekommen. Es ist traurig, mit ansehen zu müssen, wie sich bei ihr der zunehmende Altersstarrsinn in Form von ständiger Besserwisserei und mittlerweile auch immer häufiger von beleidigenden Äußerungen mir gegenüber auszuwirken beginnt. Offenbar kommt sie immer schwerer mit der Vorstellung klar, daß ich mein eigenes Leben zu meistern vermag, und muß mir daher ständig angebliche Unfähigkeit dazu unterstellen, um ihr schwindendes Weltbild aufrecht zu erhalten.

Ein wenig absurd wirkte in diesem Zusammenhang, daß sich ausgerechnet in diesem Jahr bei uns die Weihnachtsgeschenke in einem Maße häuften, das wir schon seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr gekannt hatten. So als ob die Menge der Geschenke sich direkt antiproportional zur ansonsten gezeigten Zuneigung verhalten würde. Natürlich war in diesem Jahr meine Liebste zum ersten Mal bei uns mit dabei, und natürlich hatte sie auch noch diverse Geschenke mitgebracht, die sie von ihren Eltern und Großeltern mit der Post zugeschickt bekommen hatte bzw. die wir schon bei unserem Besuch in der Lausitz von ihrer besten Freundin mitbekommen hatten, der wir im Gegenzug als Weihnachtsgeschenk (jetzt darf man es ja verraten) eine in hübsches japanisierendes Blümchenpapier verpackte Schlagbohrmaschine dagelassen hatten.

So dauerte denn die Bescherung dieses Jahr also ungewöhnlich lange. Zuvor und währenddessen stießen wir anstelle des in früheren Jahren üblichen Sektes, den bei uns sowieso niemand so richtig verträgt, mit Johannisbeerwein aus einer Anderthalb-Liter-Rundkolbenflasche an, die wir im Frühjahr von den Ritterspielen in Freienfels mitgebracht hatten. Der Abend wurde ziemlich lang, und die Flasche war am Ende halbleer, bevor sie zum Essen (es gab den bei uns schon traditionell üblichen Räucher-Aal) durch einen trockenen Weißwein ersetzt wurde. Ehrlich gesagt verstehe ich die Leute nicht, die sich ausgerechnet an einem solchen Hochfest des Jahres ein derart banales Allerwelts-Essen wie Würstchen und Kartoffelsalat hinter die Kiemen stopfen. Aber jedem das Seine...

Was es als Geschenke gab, möchtet Ihr wissen? Also gut, der Vollständigkeit halber zähle ich hier ein paar Dinge auf, wobei ich aber unter anderem den ganzen Süßkram weglasse, mit dem sich alle Beteiligten gegenseitig zu Tode zu mästen versuchten. Meine Mutter bekam von mir vier Bücher und ein Heft mit 100 Sudokus, weil das Lesen und das Rätseln seit längerem ihre einzige verbliebene Freizeitbeschäftigung zu sein scheinen. Von meiner Liebsten erhielt sie u. a. eine schicke Weihnachts-Dekodecke für den Wohnzimmertisch sowie eine Schale zum Verdunsten von Duftölen mit mehreren austauschbaren, bunten Teelichtgläsern, die es dieses Jahr praktisch überall auf den Weihnachtsmärkten zu kaufen gab.

Da meine Mutter wie üblich das ganze Jahr über sämtliche Winke mit Zaunpfählen zum Thema "mögliche Weihnachtsgeschänke" konsequent ignoriert hatte, beschränkte sich die Bandbreite ihrer eigenen Kreativität im Wesentlichen auf zwei neue Schlafanzüge, bei denen ich mir noch nicht einmal so ganz sicher bin, ob sie mir nicht zwei Nummern zu groß sind. Immerhin habe ich seit dem letzten Weihnachtsfest ja etwas abgenommen. Außerdem erhielt ich noch diverse Dinge, die ich kürzlich in einem Humanitas-Katalog angekreuzt hatte. Neben einigen Büchern sind dabei vor allem ein Mini-Taschenmesser aus dem Hause Laguiole (das ich eigentlich eher als ein mögliches Geschenk für meine Liebste angekreuzt hatte) und ein Ornithopter, ein künstlicher Vogel als Spielzeug nach einem ursprünglichen Entwurf von Leonardo da Vinci (allerdings heute "zeitgemäß" aus Plastik), erwähnenswert.

Von meiner Liebsten erhielt ich unter anderem einen Doppel-CD-und-Doppel-DVD-Pack von Schandmaul ("Sinnfonie"), die wir im August live beim Fährmannsfest in Hannover erlebt hatten. Außerdem darf ich jetzt eine wunderschöne Räucherschale (vermutlich aus Speckstein) mein Eigen nennen, sowie zwei Kerzenständer, die farblich perfekt zu einer kleinen, steinernen Vase passen, die sie mir bereits im Sommer geschenkt hat, aber aus einer vollkommen anderen Quelle stammen dürften. Von ihrer besten Freundin erhielt ich ein handgeschnitztes Holzkästchen mit einem gotischen Muster im durchbrochenen und danach mit Leder ausgeschlagenen Deckel (nach dem Vorbild einer Fenster-Rosette aus irgendeiner gotischen Kathedrale). Also thematisch genau zu der Zeit passend, die wir darstellen, wenn wir auf Veranstaltungen ins Mittelalter "abtauchen".


Groß waren die Augen, als meine Liebste gewahr wurde, daß ich ihr antiquarisch alle sechs Bände der Buchreihe "Der Zauberer der Smaragdenstadt" von Alexander Wolkow in der alten Auflage (vor 2005) besorgt hatte. Im Herbst dieses Jahres war ich an der gleichen Aufgabe schon einmal gescheitert, da sowohl Amazon als auch Buch.de zwar die alten Ausgaben in ihren Online-Katalogen gelistet hatten, statt dessen jedoch die neuen, total verhunzten Übersetzungen lieferten und daraufhin alle sechs Bände von mir postwendend zurückbekamen. Es war ein ziemlicher Aufstand, die tatsächlichen Originalbände aus diversen Antiquariaten in ganz Deutschland zusammenzusuchen, aber letzten Endes hat es sich doch gelohnt, allein für diesen einen Augenblick und für die Gewißheit, einem geliebten Menschen eine große Freude zu machen.

Natürlich war dieses Geschenk nicht so groß und so modern wie der LCD-Flachmonitor, den sie von meiner Mutter (na ja, nicht ganz ohne meine Mithilfe...) bekommen hat. Und der wurde natürlich auch weitaus dringender benötigt, hatte doch der vorsintflutliche Röhrenmonitor (der mit den flackernden grünen Schrägstreifen auf dem Bildschirm) im Laufe des Jahres seinen Geist aufgegeben und seitdem ein noch älteres und kleineres Modell, das ein Bekannter übrig gehabt hatte, seinen Platz eingenommen. Nicht gerade augenschonend, wenn ihr mich fragt, und außerdem war dieses uralte Schätzchen auch schon halb hinüber. Jetzt darf ich irgendwann wohl mal wieder Monitore schleppen, denn beide alten Geräte sind sicherlich nur noch ein Fall für den Schrotthaufen.

Nicht einfach nur abgerundet, sondern noch einmal getoppt wurde die Bescherung von dem (gleichzeitig Weihnachts- und sehr verspäteten Geburtstags-) Geschenk, das meine Liebste von ihrer besten Freundin bekam. Wir hatten vor ein paar Monaten bei der Reste-Truhe in Bielefeld die passenden Stoffe für ein vollständiges Mittelalter-Outfit aus Unterkleid, Bliaut und Tasselmantel ausgesucht und zur Bearbeitung zu ihrer Freundin in die Lausitz geschickt. Schon seit diese uns bei unserem Besuch Ende November ein großes, verschlossenes Paket mitgegeben hatte, in welchem sich übrigens auch meine geschnitzte Holzkiste befand, waren wir äußerst gespannt darauf, was am Ende wohl dabei herausgekommen sein mochte.

Und wir wurden alles andere als enttäuscht! Die Gewandung ist absolut toll geworden. Leider sind die bei der ersten Anprobe aufgenommenen Fotos nichts geworden, weil auf den im spärlichen Wohnzimmerlicht gemachten Aufnahmen der eigentlich grüne Bliaut genauso braun aussieht wie der wollene Mantel, während meine Liebste auf den mit Blitz aufgenommenen Fotos so bleich aussieht wie ein Schloßgespenst. Aber ich bin mir sicher, daß im Laufe des Jahres noch die eine oder andere Gelegenheit kommen wird, bei der sich das eine oder andere präsentable Foto machen läßt. Spätestens, wenn wir im Frühjahr und Sommer wieder die Mittelalter-Märkte unsicher machen.

So endete dann ein hektischer und stressiger Tag doch noch einigermaßen beschaulich, wenngleich es die eigentliche Weihnachtsstimmung bis zuletzt doch ziemlich schwer hatte, sich gegen die übermächtige Realität durchzusetzen. Hoffen wir einmal, daß die weiteren Feiertage und Silvester ebenfalls friedlich und ohne weitere Streitereien und Provokationen ablaufen. Allzu optimistisch bin ich in dieser Hinsicht zwar nicht, weil sich meine Mutter dafür länger zusammenreißen müßte, als sie es von den bisher doch meist eher kürzeren Besuchen meiner Liebsten gewöhnt ist (denn wenn nur ich allein hier bin, tut sie den Teufel, sich mir gegenüber in irgendeiner Weise zusammenzureißen).

Aber wenigstens haben wir beide dieser Tage wohl die eine oder andere ruhige, stille Nacht, die wir miteinander verbringen können, ohne von irgendwelchen Bauarbeitern um 7 Uhr morgens mit schwerem Gerät aus dem Schlaf gerissen und teils buchstäblich aus dem Bett geschüttelt zu werden. Und auch meine Mutter respektiert wenigstens dann, wenn ich Besuch habe, meine Privatsphäre und kommt nicht dauernd ungefragt bei mir hereingestürmt, wie sie es sonst oft tut, als ob ich noch ein kleines Kind wäre, das es zu gängeln und zu beaufsichtigen gilt. Freuen wir uns also auf ein paar stille Nächte - ob irgendeine davon allerdings heilig sein wird, wage ich ehrlich gesagt zu bezweifeln...

Freitag, 18. Dezember 2009, 22:15

Ein Hoch auf die "lieben" Kollegen!

Menschlichkeit ist heutzutage anscheinend nicht mehr allzu weit verbreitet. Auch und gerade unter Arbeitskollegen nicht. Diese Erkenntnis ist natürlich nichts bahnbrechend Neues, aber im Laufe der letzten Wochen durfte ich dieses leidige Phänomen wieder einmal sehr beispielhaft erleben. Ganz besonders die guten Manieren vergessen darf man offensichtlich gegenüber externen Mitarbeitern, denn die sind ja bekanntlich keine richtigen Menschen. Selbst wenn man sie sich für ziemlich teures Geld ins Haus holt und sie doppelt so viel zum Projekterfolg beitragen wie der durchschnittliche Festangestellte. Da können noch so viele hehre Firmenrichtlinien zum zwischenmenschlichen Umgang in der Teeküche an der Wand hängen. Gelebt werden sie alle nicht, erst recht nicht, wenn die Firmenleitung es nicht vormacht.

Seit Anfang November bin ich nun als externer Mitarbeiter bei einer Firma in Dortmund tätig. Zuerst war davon die Rede, daß man mich bis weit ins kommende Jahr 2010 weiter beschäftigen wolle. Inzwischen hat sich aber herausgestellt, daß die Auftragslage wohl dafür nicht reicht, so daß ich zu Weihnachten meinen Schreibtisch wieder räumen muß. Nun ja, so etwas kann natürlich immer einmal passieren, damit muß man als Freiberufler in dieser Branche rechnen, und dieses reine Faktum kann, will und werde ich hier auch niemandem negativ ankreiden. Auch wenn man sich das Ganze durchaus etwas früher hätte überlegen können.

Was mich aber einigermaßen wütend macht, ist der Umgang, der mit Externen in dieser Firma gepflegt wird. So bin ich beispielsweise von Anfang an zu keiner Veranstaltung dieser Firma mit eingeladen worden, weder zur allgemeinen Weihnachtsfeier noch zum Abteilungs-Frühstück vor Weihnachten, ja nicht einmal zum Weihnachtsmarkt-Besuch der Abteilung mit gemeinsamem Glühweintrinken, obwohl zumindest dabei sicherlich jeder selbst bezahlt hat und meine Teilnahme ganz bestimmt keine finanzielle Belastung für die Firma dargestellt hätte. Ein näheres Kennenlernen untereinander war also ganz offensichtlich unerwünscht.

Jemand, der sich damit auskennt, sagte mir, daß dies im Fall von Zeitarbeitskräften bzw. Leiharbeitern bei einigen Firmen durchaus gang und gäbe sei. Das mag durchaus so sein, obwohl ich es auch in diesen Fällen für unangebracht halten würde. Aber zum Einen bin ich keine Zeitarbeitskraft und kein Leiharbeiter, und zum Anderen ist es gerade in Bereichen, in denen man hochqualifizierte externe Fachkräfte benötigt und sie sich für gutes Geld zur Unterstützung ins Haus holt, normalerweise nicht üblich, diese dann als Mitarbeiter zweiter Klasse zu behandeln.

Während meines letzten Projektes bei einem großen deutschen Automobilhersteller war es jedenfalls selbstverständlich, daß auch alle externen Arbeitskräfte zu jeder Feier und Veranstaltung mit eingeladen wurden. Aufgrund der vielfältigen Struktur der Abteilungen waren das so viele Termine, daß man sich am Ende sogar gezwungen sah, den einen oder anderen abzusagen. Und dabei sollte man doch eigentlich meinen, daß in einem solchen Großunternehmen insgesamt eine viel unpersönlichere Atmosphäre herrscht als in einem kleinen Software-Haus wie dem, in dem ich jetzt gerade tätig bin.

Wenn es umgekehrt wenigstens eine Gleichbehandlung für alle nicht festangestellten Mitarbeiter gäbe, könnte ich das ja vielleicht noch verstehen. Aber bei dieser Firma werden beispielsweise Studenten, ganz gleich, wie häufig sie überhaupt erscheinen, durchaus mit eingeladen. Nicht eingeladen hingegen waren außer mir eigentlich nur die Putzfrauen. Aber denen wird in dieser Firma sowieso mit herzlich wenig Respekt begegnet. Man versucht sie bestenfalls zu ignorieren, und eine von ihnen war neulich sehr überrascht, daß man mit mir im Gegensatz zu den festangestellten Mitarbeitern tatsächlich reden konnte und nicht wie Luft behandelt wurde.

Wie Luft habe ich mich hier persönlich des Öfteren gefühlt. Es sind die scheinbar kleinen Dinge, die einem in der Summe das Gefühl geben, nicht dazuzugehören und - rein menschlich gesehen - mehr als überflüssig zu sein. Erst nach einigen Tagen kam mal jemand auf die Idee, mich zu fragen, ob ich zum Mittagessen mit in die Kantine des Technologieparks mitkommen wolle, bzw. mir überhaupt von dieser Möglichkeit zu erzählen. Mehrere Male "vergaßen" mich die Kollegen, obwohl ich vorher ausdrücklich gesagt hatte, daß ich mitkommen wollte. Auf jeden anderen wurde vor dem Essengehen gewartet, wie lange auch immer er auf sich warten ließ. Nur wenn ich eben noch mal fix auf die Toilette wollte, konnte ich damit rechnen, den lieben Kollegen zur Kantine hinterherrennen zu dürfen. (Denn wenn man dort als Letzter fertig wurde, drängelten sie wiederum und bewiesen nicht für fünf Cent Geduld.)

Nach immerhin 6 Wochen habe ich jetzt übrigens auch (natürlich nur durch puren Zufall) herausgefunden, daß man hier als Mitarbeiter Mineralwasser umsonst bekommt. Sagt einem ja keiner! Einen Schlüssel für die Eingangstür habe ich ohnehin nicht erhalten, so daß ich immer warten mußte, bis der nächste feste Mitarbeiter nach mir eintraf. Denn im Denken der Festangestellten gibt es hier offenbar keinen Platz dafür, daß jemand keinen Schlüssel haben könnte. Und so öffnet einem auch niemand die Tür, wenn man schellt. Gelegentlich hängen mich hier auch die Festangestellten auf dem Weg aus dem Parkhaus schnellen Schrittes ab und lassen die Tür hinter sich zufallen, obwohl sie mich bereits gesehen haben und genau wissen, daß ich keinen Schlüssel habe.

Dieses ganze Verhalten muß alles noch nicht einmal Absicht sein - dagegen könnte man vielleicht noch administrativ vorgehen, indem man sich an irgendwelche Vorgesetzten wendet. Ich glaube vielmehr, es handelt sich dabei um die selbe Gleichgültigkeit, die heute die meisten Menschen an den Tag legen, wenn es um andere Menschen geht. Es interessiert einfach keinen mehr, was anderen Leuten widerfährt, zumindest solange es sich nicht um Personen handelt, auf die man dauerhaft angewiesen ist oder vor denen man sich schon von Amts wegen in Acht nehmen muß, beispielsweise, weil es sich um den eigenen Chef oder Abteilungsleiter handelt. Die hat hier jedenfalls noch niemand ausgesperrt.

Ein ganz besonders dreistes Beispiel für Mißachtung und Gleichgültigkeit gegenüber den Bedürfnissen anderer durfte ich heute Vormittag erfahren. Nur durch einen dummen Zufall erhielt ich gestern eine Antwort auf eine Antwort auf eine Antwort auf eine Einladung zum Team-Frühstück, das heute stattfinden sollte. Da ich aber zum Einen mittlerweile auch keine große Lust mehr verspürte, drei Tage vor meinem Abgang hier plötzlich noch einen auf "soziale Kontakte" zu machen (das hätte man sich vielleicht mal überlegen sollen, als ich hier angefangen habe!), und außerdem bis Weihnachten noch reichlich zu tun habe (ich sitze hier ohnehin schon als einziger Mitarbeiter jeden Tag mindestens 10 Stunden lang am Rechner), habe ich diesen eigentlich sowieso nicht an mich gerichteten Termin sicherheitshalber lieber abgesagt.

Irgendwann kam dann der Abteilungsleiter herein und teilte meinem (davon ebenfalls ziemlich entgeisterten) Projektleiter und mir mit, daß man das Weihnachts-Frühstück in unserem Büro abzuhalten gedenke, weil dieses der größte Raum auf der Etage sei - ob wir nun wollten oder nicht. Da der Abteilungsleiter bereits gegenüber den Protesten des Projektleiters ziemlich unwirsch den Vorgesetzten heraushängen ließ, wagte ich es gar nicht erst, ebenfalls zu protestieren, und stellte mich zähneknirschend darauf ein, meine Arbeit bei nervigem Weihnachtsmusik-Gedudel und mit zwei Dutzend mampfenden und quasselnden Kollegen im Büro weiterführen zu müssen.

Schließlich brüllt hier immerhin auch sonst schon der Projektleiter ständig stundenlang jemanden lautstark am Telefon an, so daß man sich kaum einmal richtig auf die Arbeit konzentrieren kann. Und immerhin hatte sich nun ebendieser Projektleiter mit ziemlich angefressener Miene in ein anderes Büro zurückgezogen, um statt dessen eben von dort aus jemanden stundenlang am Telefon anzubrüllen (in dessen Haut ich angesichts der Laune des Projektleiters speziell heute nun wirklich nicht hätte stecken mögen). So war zumindest dieser eine Störfaktor ausnahmsweise einmal ausgeschlossen, obwohl das durch die ganzen Kollegen und den lautstarken Stille-Nacht-Heilige-Nacht-Terror natürlich mehr als aufgewogen wurde.

Eine Zeit lang ging mein Vorhaben, trotzdem noch weiterzuarbeiten, wider Erwarten gut. Aber dann raunzte mich der Abteilungsleiter an, ich wolle jetzt hier doch etwa nicht arbeiten, damit würde ich nur den anderen die Feierlaune verderben. Ich erwiderte, es täte mir ja leid, daß ich versuchen müßte, zu arbeiten, um die mir gestellten Aufgaben noch vor meinem Abgang aus dem Unternehmen fertig zu bekommen. Zunächst schien es damit getan zu sein, und ich konnte noch etwas weiterarbeiten. Aber dann meinte er ziemlich barsch: "Das war jetzt übrigens ernst gemeint."

Also mußte ich meinen Platz räumen - der übrigens im Verlaufe der darauf folgenden zwei Stunden von den lieben Kollegen großflächig mit Kaffeeflecken überzogen wurde, aber natürlich dachte niemand auch nur im Traum daran, diese selbst wegzuwischen. In der Zwischenzeit lief ich relativ planlos durch das Haus und fragte mich, ob ich die auf diese Weise verlorene Zeit denn wenigstens bezahlt bekomme - denn schließlich werde ich nach den von mir geleisteten Stunden entlohnt. In Rechnung gestellt habe ich sie jedenfalls. Denn ich sehe ja gar nicht ein, warum ich es zu vertreten haben sollte, wenn man mich vorsätzlich bei meiner Arbeit behindert!

Immerhin gelang es mir während dieser ansonsten ziemlich vertanen Zeit, eine Lösung für unsere massiven Datenbankprobleme der letzten Wochen zu finden: Es stellte sich nämlich heraus, daß zwar alle immer lautstark lamentiert hatten, aber niemand einen so simplen Schritt wie einen Neustart des Servers in Erwägung gezogen hatte. Nicht, daß ich nicht bereits längst darauf hingewiesen gehabt hätte (ich selber darf das ja nicht machen) - aber auch in dieser Hinsicht hat einfach niemand auf mich gehört. Übrigens auch heute nicht, jedenfalls ist bislang immer noch kein Neustart erfolgt, weshalb auch alle anderen Kollegen mit ihrer Arbeit nicht wirklich vorankommen. Ein weiterer typischer Fall dieser unseligen Gleichgültigkeit.

Sonntag, 6. Dezember 2009, 15:30

Impressionen aus dem Kraftwerk Boxberg

Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50. Geburtstag meiner künftigen Schwiegermutter durften wir an einer sehr individuellen Führung durch das Braunkohle-Kraftwerk Boxberg teilnehmen. Beide Eltern meiner Liebsten arbeiten dort, und ihr Vater (seines Zeichens Schichtleiter) führte unsere Gruppe durch fast alle modernen Bereiche des Kraftwerkes. Leider dürfen die nach der Wende wegen unzureichender Effizienz und mangelnder Filtertechnik stillgelegten alten Teile des Kraftwerks von Besuchern nicht mehr betreten werden, obwohl uns das sicherlich auch sehr interessiert hätte.

Für mich persönlich hat dieses Kraftwerk insofern eine besondere Bedeutung, als daß ich damals nach der Wende im sogenannten Politikunterricht (Zwangs-Ergänzungskurs, am späten Nachmittag, um diejenigen, die dieses Fach nicht freiwillig gewählt hatten, mit Freizeit-Entzug und Hausaufgaben bis tief in die Nacht zu bestrafen) einen umfassenden Vortrag über Umweltprobleme in der ehemaligen DDR halten mußte und dabei natürlich auch an der Erzeugung von Energie aus Braunkohle nicht vorbeigekommen bin. In den 80er Jahren war Boxberg mit einer installierten Gesamtleistung von 3.520 Megawatt das größte Kraftwerk der DDR und das größte Braunkohlekraftwerk Europas.

Nach Stillegung der 12 älteren DDR-Blöcke aus den 60er und 70er Jahren liegt Boxberg mit 1.900 MW bundesweit nur noch auf Platz 9. Nach Fertigstellung des derzeit im Bau befindlichen, neuen Blockes R wird es jedoch mit 2.570 MW immerhin wieder auf Platz 4 liegen (hinter den beiden derzeitigen "Spitzenreitern" Niederaußem und Jänschwalde sowie dem gigantomanischen Neubau in Neurath bei Grevenbroich, dessen beide neuen Blöcke trotz diverser tödlicher Unfälle auf der "größten Baustelle Europas" angeblich noch 2010 in Betrieb gehen sollen, womit dieses Kraftwerk dann mit insgesamt 4.400 MW unangefochten die Nummer 1 wäre).

Die Führung durch das Kraftwerk Boxberg war sehr beeindruckend. Es ist allerdings schwer möglich, die gigantischen Ausmaße der Anlagen jemandem zu beschreiben, der diese nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Schon die Turbinenhalle ist riesig, aber noch gar nichts gegenüber dem Gebäude, das die gewaltige Brennkammer beherbergt und mit fast 160 Metern Höhe die Ausmaße eines ausgewachsenen Wolkenkratzers hat - auch wenn einem Betrachter das Einschätzen der tatsächlichen Höhe angesichts des völligen Fehlens äußerlich sichtbarer Stockwerke schwer fällt. Der Ausblick vom Dach des Hauptgebäudes ist jedenfalls atemberaubend.

Die meisten der einst knapp 300 Meter hohen Schornsteine wurden bereits gesprengt oder abtragen, da sie seit der Nachrüstung der Rauchgaswaschung nicht mehr benötigt wurden. Dafür bestimmen jetzt die Neubauten des riesigen Blockes aus den 90er Jahren bzw. des aktuellen Neubaus und ihre kaum minder gewaltigen Kühltürme das Bild. Zur Zeit werden sie immer noch flankiert von einer ganzen Batterie älterer Kühltürme aus der Zeit der DDR, von denen allerdings ebenfalls bereits einige abgerissen wurden. Der Blick reicht weit über die Tagebaue, die die vom Kraftwerk benötigte Braunkohle liefern. Von einer natürlichen Landschaft kann in dieser Gegend allerdings kaum noch die Rede sein, das können auch die wieder eingewanderten Wölfe nicht kaschieren.

Gerne würde ich an dieser Stelle Fotos aus dem Inneren des Kraftwerkes zeigen, aber ich schätze, daß der Betreiber Vattenfall wohl vermutlich etwas dagegen haben würde. Gegen einige Außenaufnahmen des Kraftwerkes sowie ein paar Ausblicke vom Dach dürfte hingegen wohl nichts einzuwenden sein. Außerdem gibt es ein paar Aufnahmen von einem alten Schaltpult aus der Anfangszeit des Kraftwerkes im kraftwerkseigenen Museum. Da sah die Technik noch richtig niedlich aus! Und man hatte als Bediener tatsächlich noch etwas Richtiges zum Anfassen. Die gleichen russischen Bauelemente sollen übrigens auch auf der Raumstation MIR verwendet worden sein.

Zum Abschluß des Artikels folgen noch ein paar spektatuläre Fotos aus dem untersten Teil der Brennkammer, in welchen man über eine ganze Batterie von mit Spezialglas versehenen Klappen hineinschauen kann. Angesichts dieser Bilder, die einem Blick in das tiefste Herz der Hölle gleichzukommen scheinen, fällte es einem ziemlich schwer, sich zu vergegenwärtigen, daß es sich hierbei in Wirklichkeit nur noch um die glühende und ausbrennende Asche handelt und daß der eigentliche Verbrennungsvorgang, der die zur Dampferzeugung und damit zur Stromgewinnung nutzbare Energie erzeugt, mehr als 100 Meter weiter oben stattfindet.

Außenansicht des größten Kraftwerks-Blockes (907 MW):



Aussicht vom Kraftwerks-Dach auf die älteren Kühltürme:



Aussicht vom Dach auf den derzeit modernsten Kühlturm:



"Schüttgut-Absetz-und-Wiederaufnahmegerät" (Schaufelradbagger):



Russisches Schaltpult mit bunt aufgemalten Schaltkreisen:



Das war damals noch richtige Technik "zum Anfassen":



Impressionen aus dem tiefsten Herzen der Hölle, Teil 1:



Impressionen aus dem tiefsten Herzen der Hölle, Teil 2:



Impressionen aus dem tiefsten Herzen der Hölle, Teil 3:



Impressionen aus dem tiefsten Herzen der Hölle, Teil 4: